Musikalische Glanzvorstellung in der Marienkirche
DER NORDSCHLESWIGER (Denmark) 15-08-2006
Jens Uwe Jessen
Musikalische Glanzvorstellung in der Marienkirche
BDN-Veranstaltung ein voller Erfolg / Zuhцrern in der Sonderburger Marienkirche wurde Chorgesang auf hцchstem Niveau geboten
Einen wahrhaft musikalischen Hцhepunkt bescherte das Konzert des Schleswig-Holstein Festival Chors den zahlreichen Besuchern, die sich am Sonnabendabend auf den Weg in die Sonderburger Marienkirche gemacht hatten. Dem BDN-Kulturausschuss war es auch in diesem Jahr gelungen, im Rahmen des Festivals mitwirkende Kьnstler grenzьberschreitend fьr ein Konzert in Nordschleswig zu gewinnen. Unter der Leitung des als Chordirigent international geschдtzten jungen Hollдnders Peter Dijkstra sang der Festival Chor geistliche Musik des 20. Jahrhunderts aus den Niederlanden.
Statt der erkrankten Birgit Wildeman hatte der Noordwijker Organist Jaco van Leeuwen bei der im Mittelpunkt des Programms stehenden Messe fьr Chor und Orgel des belgischen Komponisten Joseph Jongen den zugehцrigen Orgelpart und ein Solostьck ьbernommen. Die 44 jungen Chorsдngerinnen und -sдnger aus elf Lдndern – von einer Jury in mehreren groЯen europдischen Stдdten ausgewдhlt – erweckten also mit ihrer hohen Qualifikation bereits im Voraus groЯe Erwartungen.
Festlich schwarz gekleidet wechselten die Chormitglieder mehrfach ihren Standort innerhalb der Kirche: Wдhrend die Orgelmesse aus dem hinteren Kirchenschiff vorgetragen wurde, prдsentierte sich der Chor bei den A-capella-Stьcken gut sichtbar im Altarbereich. Von dort aus erklang auch der einleitende 121. Psalm von Daan Manneke, einem der bedeutendsten niederlдndischen Komponisten der Gegenwart, in franzцsischer Sprache vertont. Schon nach wenigen Takten lieЯ die Textstelle »sur les montagnes« (auf zu den Bergen) die geballte Stimmgewalt der hervorragend geschulten Vokalisten kulminieren, fьr den verhдltnismдЯig kleinen Kirchenraum beinahe zu voluminцs.
In seiner kompositorischen Vielfalt von Unisono, Imitation, rhythmischer Freiheit und unter Einbezug zweier Solostimmen (Alexandra Steiner, Sopran und Sofia Gvirts, Alt) ging bereits von diesem ersten Stьck ein betцrender Zauber aus. Joseph Jongens Messe fьr Chor und Orgel erklang in drei voneinander getrennten Abschnitten, unterbrochen von unbegleiteten Chorsдtzen und einem Orgel-Solo. Das in den Jahren 1945-1948 entstandene Werk wies eine lange Reihe spдtromantischer Stilmerkmale auf und hдtte ebensogut ein halbes Jahrhundert frьher komponiert sein kцnnen. Nichtsdestoweniger muss es den besten Chorwerken des 20. Jahrhunderts zugerechnet werden.
Im ersten Block – Kyrie und Gloria – bewies der Chor neben kraftvoller Huldigung (»adoramus te, glorificamus te, Deus Pater omnipotens«) auch meisterhafte Zurьcknahme des Klanges. Aus Stellen wie »Christe eleison« oder »misere nobis« sprach Demut. Bei den im zweiten Abschnitt erklingenden Messe-Sдtzen war besonders das auf das Sanctus folgende Benedictus von auЯerordentlichem Reiz: Wie so oft bei Messe-Kompositionen waren die sanftmьtigen Worte Solisten anvertraut, in diesem Falle zunдchst Sopran und Alt (Klбra Dzuganovб, Lucia Duchonovб), dann Tenor und Bass (Christoph Leonhardt, Makitaro Arima) und schlieЯlich dem ganzen Soloquartett, welchem der Lobgesang rein und klangschцn gelang. Das nach einer zweiten Unterbrechung die Messe beschlieЯende Agnus Dei zeigte in seiner musikalischen Vielfalt so recht die Meisterschaft des Komponisten: Im harmonisch reichen Wechsel von Mдnnerstimmen, Frauenstimmen, Solistenquartett und vollem Chor klang das Werk mit der Bitte um Frieden ungemein ruhig aus. Unter den in den Zwischenzeiten eingefьgten A-capella-Sдtzen trugen Ton de Leeuws franzцsischsprachiges »Silence« und Joep Franssens’ »Harmony of the Spheres« am stдrksten Zьge des 20. Jahrhunderts. Das weitgehend Wort fьr Wort im Einklang gesungene »Silence« strahlte eine ungemeine Ruhe aus und rief in seiner psalmodierenden Art eindrucksvoll zur Besдnftigung der Seele auf. Das sinnvoll an den Schluss gestellte »Harmony of the Spheres« zeugte von hцchster Gesangskultur: Die im rьckwдrtigen Kirchenschiff in zwei Gruppen aufgeteilten Choristen vermittelten die Einsicht Spinozas »Die Herzen werden aber nicht durch Waffen, sondern durch Liebe und Edelmut besiegt« piano, mit lang anhaltenden Tцnen und kaum spьrbarer Bewegung. Leider stцrte ein plцtzlich ausgelцster Misslaut im Raum die meditative Ruhe der abschlieЯenden Takte. Nachhaltigen Eindruck hinterlieЯen ebenso Hendrik Andriessens »Qui habitat« (Wer unter dem Schutz des Hцchsten sitzt) mit seinem unendlich sanft gestalteten »invocabit me« (Er ruft mich an) und Albert de Klerks Vater-unser-Vertonung »Pater noster«.
Ruhig, andдchtig, harmonisch variiert, mit einem schцnen klassischen Schluss durchstrahlte der ausgewogene Chorklang den heiteren Innenraum der Sonderburger Marienkirche. Auch dieses Werk hдtte das Programm beschlieЯen kцnnen.
Der Konzertbesucher konnte die Kirche mit dem beglьckenden Gefьhl verlassen, Chorgesang auf hцchstem Niveau unter einem hervorragenden Chorleiter erlebt zu haben. Fьr die Mitwirkenden dьrfte das Auseinandergehen nach intensiven Proben und einer Reihe von ьberaus erfolgreichen Konzerten wehmьtig sein, die kьnstlerischen Erfahrungen in der »Gesangs-Talentschmiede« aber werden nachhaltige Wirkung zeigen.